Interview
Christof Martin
Aktualisiert am 24.07.2025
Die Familie Martin betreibt den Siegbacher Ziegenhof im Lahn-Dill-Kreis. Seit 1985 wird der Betrieb nach den Richtlinien des kontrolliert ökologischen Landbaus bewirtschaftet und gehört dem Bioland-Verband an. Die Ziegen werden ab dem Frühjahr auf die Weide geführt und leisten auf vielen ehemals verbuschten Flächen Landschaftspflege.
Herr Martin, wie sind ihre Flächen gelegen?
Die Landschaft ist ziemlich herausfordernd, es ist sehr ziemlich bergig, hügelig und kleinstrukturiert. Wir sind hier in einer landwirtschaftlichen Region, wo nicht unbedingt produziert wird. Hier wird Landschaft produziert, gepflegt und Naturschutz betrieben. Es ist nicht so, dass wir nichts tun, wir produzieren sieben Tonnen Käse – aber in anderen Regionen liegt die Produktion viel mehr im Vordergrund. Die Hälfte unserer Flächen sind FFH-Flächen.
Was stellt das für Anforderungen an Sie?
Ich muss bestimmte Termine einhalten für die Beweidung und beim Mähen, das eine EU-Vorgabe damit wir die Fördergelder erhalten. Aber die Natur kennt keine Termine. Es ist zum Beispiel Zeit zum Heu machen, das Wetter stimmt – aber der Termin zum Mähen nicht. Das ist immer wieder ein Problem.
Außerdem will ich die Pflanzen, die Natur hier natürlich schonen und bewahren. Das macht es nicht einfacher. Bei einer Wirtschaftswiese mähe ich dreimal im Jahr und dann habe ich meine Ernte. Hier muss ich schauen, wann es passt: damit unsere wilden Orchideen – eine gefährdete Art – aussamen können, aber das Futter für die Tiere auch noch essbar ist. Und ich eben den Termin der EU einhalte.
Und was braucht die Region mit Blick auf den Naturschutz?
Die landwirtschaftliche Nutzung ist hier zum Teil bereits zurückgegangen und die Flächen teils verbuscht. Die entbuschen wir, stellen auch die Bäume auf den Streuobstwiesen wieder frei. Über den LPV wird die Pflege organisiert. Es geht nicht nur um das einzelne Pflänzchen, sondern die ganze Kulturlandschafft, die hier erhalten werden soll.
Zicklein auf dem Bio-Hof der Familie Martin
Warum haben Sie sich KOMBI angeschlossen?
Es hat im Betrieb schon 40 Jahre Geschichte, dass wir im Naturschutz tätig sind. Wir haben schon immer Kontakt zum LPV gehabt und es gab immer die gemeinsame Sicht auf die Dinge.
Wir stehen sonst halt ziemlich allein da. Wir bekommen zwar das Geld zum Bewirtschaften der Flächen, sind damit zum Teil aber gar nicht so zufrieden. Zum Beispiel vermehren sich Wildgräser wie das Reitgras oder das Jakobskreuzkraut immer mehr. Das Land wird vom Aufwuchs her schlechter und verändert sich, allein schon wegen des Klimawandels. Aber wenn giftige Herbstzeitlose oder Jakobskreuzkraut auf den Wiesen wachsen, dann können wir das Heu nachher nicht verfüttern. Wir haben uns dann mit dem LPV am Runden Tisch zusammengesetzt und überlegt, wie wir mit diesen Unkräutern umgehen.
Wie haben Sie diesen Austausch wahrgenommen?
Wir haben uns jetzt mehrfach zusammengesetzt und hier als Landwirte aus der Region unsere Probleme besprochen, um Konzepte und Lösungsansätze zu entwickeln. Es war so ein Stillstand, wo sich alles immer nur ein bisschen verschlechtert hat. Das hat durch das Projekt eine ganz andere Dynamik bekommen – und das ist auch gut so. Da ist Geld geflossen, da werden die Obstbäume gepflegt. Das hat immer ein bisschen weh getan zu sehen, dass all das, was in den letzten 50 Jahren entstanden ist, so langsam vergammelte und kaputtging. Und dass das ganze Wissen über Obstanbau, Ernte, Pflege fast verloren ist.
Giftfplanzen wie die Lupine bekämpfen die Betriebe in der hessischen Modellregion gemeinsam.
Wo sehen Sie die Vorteile des überbetrieblichen Ansatzes?
Wir können zum Beispiel überlegen, wie wir Maschinen sinnvoll einsetzen. Und es ist auch ein Zusammentragen von Wissen. Man muss aus seinem eigenen Dunstkreis raus und sich anschauen, was und wie das andere machen.
Das könnte eine Möglichkeit sein, auch andere Themen überbetrieblich zu denken. Zum Beispiel bei der regionalen Wertschöpfung. Heuvermarktung wäre für viele interessant. Wenn wir das an eine gemeinsame Lagerhalle anliefern und von dort vermarkten, können wir hier wunderbar das Geld direkt verdienen, statt es tausend Kilometer nach Holland und zurück befördern.
Was braucht es aus Ihrer Sicht, damit der überbetriebliche Ansatz gelingen kann?
Eine Stelle wie den LPV. Der füllt da eine Lücke, bringt Dinge zusammen – da war sonst nichts. Eine Beratung in dieser Intensität und mit der Ausrichtung auf den Naturschutz, die gibt es sonst nicht.
Was würden Sie sich politisch wünschen?
Es muss für die Landwirte auch was hängen bleiben. Und ich finde, dass das alles auch langfristig stattfinden muss. Nicht nur einmal Entbuschen, sondern die Pflege der Flächen langfristig gewährleisten. Dafür fehlt der finanzielle Anreiz ein bisschen und die Anträge zu stellen, ist auch zu kompliziert. Für jeden Euro den du kriegst, musst du bald eine DIN4-Seite ausfüllen und du wirst immer stärker kontrolliert.
Wenn der LPV als koordinierende Stelle die Anträge für uns übernimmt, wird das attraktiver. Wenn der LPV die Pflege der Bäume übernimmt und wir das teilen, dann ist das überhaupt kein Problem. Dann ist man auch viel eher bereit, etwas zu tun, auch die, die sonst vielleicht nicht so gern mitmachen. All das, was sich hier positiv entwickelt hat, wäre ohne den LPV nicht möglich.